Unser wilder Hof

 

Zugegeben. Unser Hof sieht im Sommer wirklich teilweise sehr wild aus. Es gibt stellenweise Brennesseln die größer sind als ich (was eigentlich nicht schwer ist, ich bin echt klein), überall sprießen wilde Kräuter und auf der einen Weide gibt es eine sehr große, sumpfige Fläche voller Binsen, an anderer Stelle reichlich Disteln und große Mengen Taubnesseln. Wahrscheinlich sind wir die Horrornachbarn der akkurat wirtschaftenden Landwirte. Direkte Nachbarn haben wir zum Glück nicht, also niemanden der sich beschwert, wegen durch den Zaun winkender Brennensseln und komischer Kräuter im Rasen vorm Haus. Die Hühner und die Rehe haben sich jedenfalls noch nicht beschwert.

 

 

In der Scheune fehlt ein Fenster, die Scheibe ist herausgefallen. Über einem Stallfenster gibt es ein Loch in der Ziegelwand, im Sommer kann mal im Pferdestall wirklich nichts stehen lassen, denn kurze Zeit später ist es garantiert voller Schwalbenkacke und hinter der Werkstatt unter dem alten Apfelbaum gibt es einen großen, alten Bretterstapel, der durch die Brombeerranken, die ihn überwuchern, ziemlich imposant ist. Den Apfelbaum umzunieten wurde mir auch schon empfohlen. Ich solle lieber was ordentliches pflanzen, der sei nicht mehr zu retten. Zugegeben, er ist alt und knorrig und eher spärlich beblättert. Aber ich mag ihn.

 

 

 

Manchmal ertappe ich mich doch bei dem Gedanken, dass man das ja auch mal aufräumen, mähen oder reparieren könnte. Meist dann, wenn Besuch da war, der es mit dem naturverbundenen Leben nicht so hat. Der guckt manchmal komisch. Oder Teile der Familie, mehr oder weniger zurückhaltend...

 

 

 

Und dann wird mir wieder bewusst, wie sehr ich all das liebe. Denn es ist so voller Leben. Der ganze Hof lebt und bietet nicht nur uns ein zu Hause, sondern so wahnsinnig vielen Arten! In den Taubnesseln summen die Hummeln, in dem Distelfeld flattern unzählige Schmetterlinge von Blüte zu Blüte. Die sumpfige Fläche auf der Weide ist bei den Rauchschwalben sehr beliebt, es gibt dort viel Futter und Baumaterial für die Nester und auch Störche, Kraniche und Fischreiher stapfen manchmal hindurch. Über den Weiden kreisen regelmäßig Bussarde, Milane und Falken um Mäuse zu jagen und in der Dämmerung flattern die Fledermäuse herum.

 

 

 

Durch das fehlende Scheunenfenster können die Eulen in die Scheune fliegen und dort auf den Balken sitzen. Außerdem gibt es auf dem alten Heuboden Mäuse... Im Loch über dem Stallfenster brüten jedes Jahr kleine Vögel. Die Eltern schimpfen einen wirklich furchtbar wütend aus, wenn man aus Versehen zu dicht davor steht... Im Pferdestall haben vor 14 Jahren, als wir den Hof kauften, 3 Schwalbenpaare gebrütet, heute sind es über 30! Macht am Ende des Sommers, nach der 2. Brut, reichlich viele Vögel. Eigentlich ist der Stall im Sommer eher eine Vogelhaus. Und wenn sie dann im Herbst plötzlich eines morgens alle wieder weg sind, muss man sich an die Stille erstmal wieder gewöhnen...

 

 

 

In dem alten Bretterstapel hat sich ein Marder häuslich eingerichtet. Das ist auch der Grund, warum die Hühner ihren Stall in seiner Nähe verlassen mussten und nun sicherer in der Scheune untergebracht sind. Seit dem klappt das Zusammenleben bestens. Die Brombeeren sind super lecker, frisch oder als Marmelade! Und der alte knorrige Apfelbaum trägt trotz seiner spärlichen Blätter jeden Jahr einige Äfpel, die ganz wunderbar duften und noch viel besser schmecken. Uns und den Pferden.

 

 

 

Und wenn mir all das wieder bewusst wird und mein Herz mit Freude füllt, begnüge ich mich damit den Pferdestall zu putzen, nur einen Teil des Gartens zu mähen und ansonsten den Sommer einfach zu genießen und mich an den ganzen Mitbewohnern einfach zu erfreuen.